Mit offenen Augen

Seit ihre "Hockerbank" um die Welt reist, ist die junge Designerin Johanna Dehio in aller Munde. Das im Rahmen ihrer Diplomarbeit entstandene Möbel folgt, wie ihre anderen Projekte auch, dem Grundgedanken des Provisoriums. Fotos: Johanna Dehio

Johanna Dehio gehört zu den Menschen, die nicht nur mit offenen, sondern mit besonders wachen Augen durch die Welt gehen. So fallen ihr Dinge auf, über die andere hinwegsehen. Zum Beispiel, dass viele Menschen über Jahre - bewusst oder unbewusst - mit Provisorien leben. Hierzu gehört ebenso der Keil unter dem wackelnden Tisch wie das Regal, das mal eben schnell beim Umzug aus Ziegelsteinen hochgezogen wurde. "Die Idee von sich wandelnden Voraussetzungen und der Möglichkeit der Gegenstände, sich daran anzupassen oder gar grundsätzlich im Zweck offen und Teil eines Prozesses zu sein, hat mich immer schon fasziniert", so Johanna Dehio. Diesen Aspekt legt die junge Designerin ihren Entwürfen zugrunde: "Die verschiedenen Möglichkeiten von Provisorien und Improvisation, das Umnutzen, der temporäre Aspekt, die Intuition, die Interaktion zwischen Menschen, Objekten und Raum, das Spielerische, die Unperfektion: Das alles sind für mich wichtige Gesichtspunkte für die Gestaltung eines Umfelds."


Vom Provisorium zum Möbel

Dass dieser Entwurfsansatz gut und sinnvoll ist, hat sie bereits bei ihren "Kleiderstielen" gezeigt - funktionale Holzständer zum An-die-Wand-Lehnen, die auf eine Garderobennutzung ausgerichtet sind. Die "Hockerbank" geht hier noch weiter, denn sie verwandelt Objekte, die als Einzelnutzung gedacht sind, auf simple Weise in multifunktionale Gegenstände. Über passgenau gelochte Platten werden Hocker zu Bänken und kleine Tische zur langen Tafel. Damit nicht genug bezieht sie auch den Aspekt der Nachhaltigkeit bewusst ein: "Die Verwendung verschiedener Holzsorten hat neben der Übertragung der Merkmale von Provisorien in eine formale Sprache auch den Hintergrund der Nutzung von Restmaterialien und kleineren Abfällen", so ihr Statement. Ein bevorzugtes Material hat sie jedoch generell nicht: "Ich denke der Einsatz von Materialien muss immer in Abhängigkeit des Gebrauchs und der Herstellung abgestimmt werden." Dementsprechend könnte sie sich die "Hockerbank" für den Außenbereich auch in Kunststoff vorstellen; seit Ende des Jahres 2013 ist das Möbel regulär für den Innenbereich über die Marke "NWW Design" der Neuen Wiener Werkstätten im Onlineshop erhältlich. Für die Zukunft hat Johanna Dehio "mehr Ideen im Kopf, als sie umsetzen kann", Wir sind gespannt, womit sie uns als Nächstes überrascht.


 

 

 

Die Beziehung zwischen Benutzer und Objekt ist zentrales Motiv bei Johanna Dehios Arbeiten. Hier sitzt sie auf einem Objekt, das 2012 während eines Workshops in Wien zum Thema "Möbel-Improvisation" entstanden ist.

 

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Erschienen in "casamia" 3/2013

Mit freundlicher Genehmigung von casamia und Johanna Dehio