
Wir alle sollen mehr arbeiten - vor allem Vollzeit und bitte auch die Rentner. Geht`s noch?! Sowas wie Rente ist mehr Glücksspiel als sicher und ich werde mich nicht in meinen besten Jahren aufreiben für ein System, dass mich von vornherein systematisch benachteiligt - warum ich lieber weniger arbeite und dafür lieber mein Leben genieße.
Ehrlicherweise machen mich die Diskussionen um die Rente derzeit ziemlich wütend. Unser Rentensystem ist uralt und bedarf dringend Reformen, das sollte allen klar sein. Um dahinter zu kommen, dass das Geld irgendwann nicht mehr reicht, wenn mehr aus einem Topf genommen wird, als eingezahlt, muss man kein Mathegenie sein. Beispiele gibt es genug wie die anderweitige Verwendung von Geldern aus dem Rententopf in den letzten Jahrzehnten zum Stopfen von Haushaltslöchern, Auszahlungen an Leute, die nie was eingezahlt haben etc. Und der demographische Wandel kommt noch obendrauf. Doch alle Ansätze das zu ändern zielen derzeit immer nur darauf ab, diejenigen, die schon den Großteil davon finanziell stemmen, noch weiter zu melken. Und dann auch noch diejenigen, die jetzt in Rente sind oder kurz davor stehen, als "Schmarotzer" zu bezeichnen und zum weiterarbeiten bewegen zu wollen, finde ich einfach nur frech. Vor allem wenn das auch noch aus einem Lager kommt, das erst einmal in einen Topf für später einzahlen sollte, statt sich seine großzügigen Altersbezüge komplett vom Steurzahler finanzieren zu lassen. Dazu mal ein paar Zahlen:
- Nach einem Jahr im Bundestag haben Politiker bereits 280,86 Euro „Rente“ (Altersentschädigung) erarbeitet. Nach einer Wahlperiode wären es bereits 1.122,72 Euro, nach zwei sind es 2.254,44
Euro.
-> Steuerzahlerfinanziert - Mindest-Pension Beamte: 1.800 €, Durchschnitt: 3.200 €
-> Steuerzahlerfinanziert - Maximalrente Arbeitnehmer nach 45 Jahren lückenloser Einzahlung (natürlich keine Erziehungszeiten etc.) mit höchster Bemessungsgrenze: 3.572 €. Allerdings quasi unerreichbar. ->
Kranken- und Pflegeversicherung als auch Steuern kommen da nochmal runter.
-> Kommt aus dem allgemeinen Rententopf - Die Standardrente eines "Eckrenters" beträgt 1.835,55 € -> Kranken- und Pflegeversicherung als auch Steuern kommen da nochmal runter.
-> Kommt aus dem allgemeinen Rententopf - Im Durchschnitt erhält ein Rentner 1.405 € Altersrente im Monat und eine Rentnerin 955 €. Die Regelaltersrente beträgt damit im Durchschnitt 806 €. -> Kranken- und Pflegeversicherung als
auch Steuern kommen da nochmal runter.
-> Kommt aus dem allgemeinen Rententopf
Dieses System ist einfach absolut unsozial! Warum gibt es denn für normale Rentner keine Mindest-Rente, die ein auskömmliches Leben sichert? Und wer gut verdient hat, der bekommt dann halt noch was obendrauf?Zudem ist es für meine Generation nicht mal "sicher", dass wir überhaupt etwas bekommen. Da werde ich definititv nicht Vollzeit schuften bis ich umfalle, sondern mein Leben in den besten Jahren genießen. Mit dieser Einstellung geht allerdings einher, dass ich natürlich weniger in den aktuellen Rententopf einzahle, als ich könnte, wenn ich denn Vollzeit arbeiten würde. Aus vielerlei Gründen bin ich mit dieser Einstellung kein Einzelfall und werde gerne in den Topf der egomanischen Work-Life-Balance-Generation gesteckt.
Rente, welche Rente?
Auch bei uns flattert jedes Jahr der Wisch von der Rentenversicherung ins Haus, aus dem ersichtlich ist, wie viel ich bei Erreichen der Regelaltersgrenze - die sich für unsere Generation natürlich noch um einige Jahre nach hinten verschieben wird als derzeit 67 - und bei Erwerbsminderung bekommen würde. Da ich erst noch studiert und im Anschluss erstmal weniger gut bezahlte Jobs hatte, fällt diese Zahl bei mir weitaus geringer aus, als bei meinem Mann, der mit 17 seine Ausbildung gestartet und dann ohne Lücke im Lebenslauf seinen Weg nach weiter oben in der Hierarchei gegangen ist. Und seither fleißig und lückenlos eingezahlt hat. Seine Zahl macht sogar richtiggehend neidisch. Doch die Zahl auf dem Wisch ist nicht nur "voraussichtlich", sondern für uns noch ca. 30 Jahre weit weg. Tatsächlich gehe ich davon aus, dass unser Rentensystem bis dahin so eingekracht ist, dass wir zwar gegenwärtig die Rentner finanzieren, aber uns dann keiner mehr. Kurzum, diese Zukunftsmusikzahl ist für mich einfach nur eine Blase, die platzen wird. Und damit ist auch die schöne Zahl von meinem Mann in der Realität rein gar nichts wert, sondern eher ein Wermusttropfen, wie viel Geld da schon über die Jahre flöten gegangen ist, um diese Höhe zu erreichen. Ich fände es viel gerechter, wenn ich das Geld, was da monatlich zwangsweise von meinem Gehalt in einen Topf fließt, von dem ich in der Zukunft gar nichts habe, lieber selbst investieren und mir davon eine eigenständige Altersvorsorge aufbauen könnte. Da hätte ich am Ende sogar weit mehr, als mir der nutzlose Wisch von der Rentenversicherung verspricht.
Das Ding mit dem prozentualen Anteil
Jeden Monat wird mir ein fester prozentualer Anteil für die Rente abgezogen. Was auf den ersten Blick als fair erscheint, weil ja jeder damit den gleichen Anteil von seinem Lohn zahlt, ist näher hingeschaut eine ziemlich fiese Kiste. Denn je höher das Gehalt ist, desto höher ist natürlich der Anteil an der Rente. Umgekehrt allerdings genauso. Der Ansporn dahinter ist klar, man soll also bitteschön heute viel schuften, damit es am Ende reicht. Vielleicht ... Wahrscheinlich eher nicht, denn diese Rechnung geht nur auf, wenn ich verhältnismäßig gut verdiene. Wenn ich jetzt aber keinen gut bezahlten Job habe, sondern vielleicht nur im Mindestlohnsektor arbeite, wie immerhin 15,9 % aller Arbeitnehmer (Stand April 2024/destatis), dann bekomme ich am Ende auch nur eine Rente, von der ich nicht leben kann, obwohl ich mein ganzes Arbeitsleben lang immer eingezahlt habe. Ich kann also Vollzeit arbeiten so viel ich will, am Ende reicht es trotzdem nicht für eine auskömmliche Rente. Wir haben solch einen Fall in der eigenen Familie. Seit dem Teenager-Alter gearbeitet, mehr als 45 Jahre lang, Fehlzeiten ausgeglichen und am Ende eine Zahl auf dem Zettel, die einem die Tränen in die Augen treibt. Und dann kommen die Schlauberger mit "Muss man sich halt ein bisschen anstrengen und es zu was bringen, jeder hat hier die Chance was aus sich zu machen." Aha, das mag sein. Aber sind ja nicht alle gleich faul. Und sollen jetzt alle studieren, um besser bezahlte Jobs zu bekommen und für die Rente vorzusorgen? Wer verkauft dann die Brötchen oder schneidet mir die Haare?
Systematische Benachteiligung
Wer aus dem zwangsverordneten, auf Vollzeit ausgerichteten Rentensystem ausschert, egal ob freiweillig oder gezwungenermaßen, dem winkt ebenfalls direkt das Schreckgespents Altersarmut. Ironischerweise trifft dieser Aspekt auf etwa die Hälfte der (arbeitenden) Bevölkerung zu, die unsere Gesellschaft überhaupt am Laufen halten, weil es sowohl an Pflegeeinrichtungen als auch an Betreuungsangeboten mangelt. Und auch nicht in Sicht ist, dass sich das zeitnah ändern wird. "Care Arbeit" heißt das, was zum Großteil immer noch die Frauen machen, wenn sie sich neben ihrem Job noch um den Nachwuchs kümmern oder Angehörige pflegen. Das ist allerdings nicht "nebenbei" erledigt, wie es gerne abgetan wird. Dafür reiben sich millionen Frauen tagtäglich auf, um zu versuchen alles (Job, Familie, Haushalt etc.) unter einen Hut zu bekommen. Das kostet Zeit. Zeit, die man dann eben nicht hat, um Vollzeit arbeiten zu gehen. Was wiederum dazu führt, dass man seine Arbeitszeit reduziert, Gehaltseinbußen hat, weniger in die Rente einzahlt und am Ende noch weniger Rente raus bekommt. Schon steckt man in der "Hausfrauen"-Teilzeit-Falle. Da wird man nicht nur während seines Arbeitslebens finanziell bestraft, dass man sich um die vergangenen oder künftigen Steuer- bzw. Rentenzahler kümmert, sondern auch noch im Nachhinein. Was ein Widerspruch. Von der Politik ist irgendiwe gewollt, dass alle - auch die Frauen - bitte mehr arbeiten, gleichezitig wird aber auch rein gar nichts am alten System mit seinen patriarchalen Strukturen geändert, um genau das zu ermöglichen.
Man lebt nur einmal!
Ganz ehrlich? Nein danke! Vor diesem Hintergrund wäre ich schön blöd, wenn ich da mitmache. Für ein System, das mich als Frau mit Kind so oder so systematisch benachteiligt. Dann reibe ich mich also in meinen besten Jahren im Alltag zwischen Beruf und Betreuung auf, um auf eine Rente hin zu arbeiten, die eh nicht reicht?! Ein Aspekt, der noch hinzu kommt. Ich weiß ja gar nicht, ob und vor allem wie ich das Rentenalter erlebe. Dazu mal ein paar Zahlen:
- Lebenserwartung Männer 79 Jahre, Frauen 83 Jahre
- 90 % der Männer und 85 % der Frauen erreichen das gesetzliche Renteneintrittsalter von (derzeit) 67.
- die gesunden durchschnittlichen Lebensjahre liegen bei 61 Jahren für Männer und 62 Jahren bei Frauen
- 50 % der 65-Jährigen gelten als gesund, von den 80-84-Jährigen nur 30 %
- 20-30 % der Rentner (65-70) haben eine gute körperliche Fitness
- 30-40 % der Rentner (65-70) gelten als geistig fit, ab 80 + sind es nur noch 20-25 %
- 30 % der Männer und 20 % der Frauen (55-64 Jährigen) haben signifikante gesundheitliche Einschränkungen und bekommen frühzeitige Erwerbsminderung.
- 10-15 % zwischen 50 und 64 Jahren sind arbeitsunfähig wegen chronischer Erkrankungen oder psychischer Probleme
- weniger als 1/3 der Rentner sind bis ins hohe Alter körperlich und geistig fit
Wenn ich diese Zahlen nun alle mal für mich interpretiere, dann erreiche ich zwar mit großer Wahrscheinlichkeit das Renteneintrittsalter, bin dann aber schon gesundheitlich und/oder geistig angeschlagen. In der kurzen Zeitspanne zwischen Renteneintrittsalter (67 +) und dem Ende meines Daseins wird sich dieser Zustand drastisch verschlechtern. So viel zum Thema "goldener Ruhestand". Warum zur Hölle sollte ich dann meine wertvolle Lebenszeit in den besten Jahren, wo ich körperlich und geistig fit bin, hauptsächlich arbeiten? Für etwas, das ich vielleicht gar nicht erlebe oder wovon ich gar nichts habe? Das hat was von Glücksspiel. Dabei spiele ich nicht mal Lotto oder Eurojackpot. Und was man nicht vergessen darf, man lebt nur einmal! Keiner gibt einem die Jahre wieder, die man sich aufgerieben hat. Das heißt für mich, das Rentensystem kann mich mal! Ich werde nur so viel arbeiten, wie ich muss und zum Leben brauche. Wobei ich an dieser Stelle nicht unter den Tisch fallen lassen möchte, dass ich in der vorteilhaften Situation eines Doppelverdiener-Haushalts lebe und dazu auch (in Teilzeit) noch recht gut entlohnt werde. Ich kann es mir also leisten, diese Entscheidung so zu treffen, andere haben diese Wahl nicht. Aber weil ich es (derzeit) kann, lebe ich mein Leben lieber im Hier und Jetzt und lege den Fokus statt auf die Arbeit lieber auf das, was das Leben lebenswert macht: Reisen, Zeit mit der Familie und Freunden verbringen, gutes Essen und Trinken genießen, Bücher lesen, Bloggen ...